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Beitrag vom 13.11.2008
So viele Jahre liebe ich Dich
Alexandra Kasjan
In seinem Debüt als Regisseur verfilmte Philippe Claudel eine einfühlsame Geschichte über starke Frauen, Geheimnisse, Schuldgefühle und das physische als auch psychische Eingesperrtsein, Nähe...
... und Distanz, Vertrauen und Argwohn.
Juliette (Kristin Scott Thomas) hat in ihrem Leben viel durchgemacht. Die ehemalige Ärztin saß 15 Jahre lang im Gefängnis. Die Zeit dort prägte sie so sehr, dass sie anderen Menschen gegenüber verschwiegen und distanziert begegnet. In ihrer Verschlossenheit verbirgt sich ein tiefer Schmerz. Allein ihre Schwester Léa (Elsa Zylberstein), eine Literaturdozentin, die sie warmherzig aufnimmt, ist imstande, ihr Schweigen zu brechen. Obwohl sich beide nach so vielen Jahren der Entfremdung erst noch besser kennen lernen müssen, fühlt sich Léa zu Juliette sehr hingezogen. Ihre Eltern hatten ihr damals jeden Kontakt zu ihrer Schwester verboten, ihre Identität wurde unter Freunden und Bekannten verschwiegen. Dennoch konnte Léa ihre ältere Schwester, die sie als jüngeres Mädchen immer als Vorbild betrachtete, nie vergessen.
Der Film beginnt damit, dass Léa ihre Schwester vom Flughafen abholt und sie zu Hause, sie lebt in Nancy, ihrer Familie vorstellt. Man sieht Juliette an, dass sie sich unbehaglich fühlt. Sie raucht viel und die Gegenwart von Luc (Serge Hazanavicius), Léas Ehemann, der Juliette von Anfang an misstrauisch begegnet, und die kindliche Unbefangenheit der beiden vietnamesischen Adoptivtöchter, machen sie nervös. Mit der Zeit jedoch freundet sie sich mit der älteren Tochter, P`tit Lys, an. Diese interessiert sich seit ihrer ersten Begegnung für Juliette und tut alles, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Juliette schließt P`tit Lys in ihr Herz ein und bringt ihr sogar das Klavierspielen bei.
Juliette, die bei ihrer Schwester vorübergehend eingezogen ist, bis sie Arbeit findet, wird mit den skeptischen Blicken seitens verschiedener potentieller Arbeitgeber konfrontiert. Als einer von ihnen herausfindet, was sie getan hat, will er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Prompt wird sie hinausgewiesen. Später findet sie einen Job als medizinische Sekretärin in einem Krankenhaus. Doch auch hier hat sie es nicht leicht, da sich ihre Kolleginnen bei ihrem Chef beschweren, sie sei zu reserviert.
Léa versucht Juliette mit allen Mitteln darin zu unterstützen, wieder ein normales Leben zu führen. Sie geht mit ihr schwimmen und in Cafés, stellt Juliette ihrem Freundeskreis vor. Unter den Freunden ist auch Michel (Laurent Grévill), ein Kollege von Léa, der früher im Gefängnis Inhaftierte unterrichtet hat und den wahren Hintergrund von Juliettes Verschlossenheit erkennt. Langsam bauen Michel und Juliette ein inniges freundschaftliches Verhältnis auf. Eines Tages findet Léa bei sich zu Hause einen Brief von Pierre, dem verstorbenen Sohn von Juliette. Auf der Rückseite entdeckt sie Laborergebnisse. Einen Verdacht schöpfend, bringt sie ihrem guten Freund Samir, einem Chirurgen, eine Kopie zur Analyse. Es stellt sich heraus, dass Pierre todkrank war. Später beichtet Juliette ihrer Schwester, fast wahnsinnig vor Schmerz, dass sie es nicht mehr ertragen konnte, ihren Sohn leiden zu sehen. Sie entschloss sich, seiner Qual ein Ende zu setzen und spritzte ihm Gift.
"So viele Jahre liebe ich Dich" ist ein Drama, welches das Eingesperrtsein des Menschen innerhalb unserer Gesellschaft in emotionalen Bildern vor Augen führt. Sei es Lucs Vater, der nach einem Schlaganfall nicht mehr sprechen kann und so in seiner stillen Welt der Zurückgezogenheit lebt. Sei es die Mutter von Léa und Juliette, die in einem Pflegeheim ihr Dasein fristet und aufgrund ihrer Demenzerkrankung Alzheimer nicht einmal mehr ihre eigenen Töchter erkennt. Oder sei es Capitaine Fauré, der Juliettes Ansprechpartner bei der Polizei ist. Juliette und er treffen sich manchmal, um miteinander zu plaudern. Er lebt getrennt von seiner Familie und fühlt sich einsam. Sein großer Traum, einmal den Orinoco in Südamerika zu bereisen, geht nicht in Erfüllung. Er begeht Selbstmord.
"So viele Jahre liebe ich Dich " feierte im Februar 2008 seine Weltpremiere und gewann im Wettbewerb der 58. Berlinale den Preis der Ökumenischen Jury sowie den LeserInnenpreis der Berliner Morgenpost.
AVIVA-Tipp: "So viele Jahre liebe ich Dich " ist die Geschichte einer starken Frau, die nach einer langjährigen Haftstrafe darum kämpft, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, was mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, da sie bei vielen Menschen auf Ablehnung stößt. Der Film beeindruckt durch die großartige schauspielerische Leistung der Hauptdarstellerin Kristin Scott Thomas und zeigt, dass Menschen nach einer längeren Isolation von der Außenwelt nur dann eine Möglichkeit haben, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, wenn ihnen die Chance dazu gegeben wird. Nur dank der moralischen Unterstützung der ihr nahestehenden Personen ist es Juliette möglich, langsam Kraft zu schöpfen und wieder Vertrauen aufzubauen, so dass sie einen Neuanfang wagen kann.
So viele Jahre liebe ich Dich
Originaltitel: Il y a longtemps que je t´aime
Frankreich 2008
Regie: Philippe Claudel
Drehbuch: Philippe Claudel
Musik: Jean-Louis Aubert
DarstellerInnen: Kristin Scott Thomas, Elsa Zylberstein, Serge Hazanavicius, Laurent Grévill
Länge: 115 Minuten
FSK: 6 Jahre
Kinostart: 13. November 2008
Mehr Informationen zum Film unter:
www.alamodefilm.de